Im folgenden soll zunächst die aktuelle Situation der Aus- und Weiterbildung betrachtet werden. Damit soll die Basis für die Relevanz des Lernens gelegt werden.
Allgemein ist festzustellen, daß die Zeitspanne, in der erworbenes Wissen eingesetzt werden kann, immer knapper wird. Nach einer Studie von IBM liegen die Halbwertszeiten des Wissens in der beruflichen Tätigkeit bei etwa folgenden Werten:
EDV-Fachwissen: 1 Jahr
Andererseits ist eine zunehmende Vermehrung der Informationsmenge zu beobachten. So kommt es etwa alle 10 Jahre zur Verdopplung der Anzahl wissenschaftlicher Journale.Die gesamte wissenschaftliche und technische Informationsmenge verdoppelt sich alle 5 Jahre, wobei hier eine steigende Tendenz vorliegt. Mit der immer weiter fortschreitende Globalisierung der Märkte erhöht sich auch der Qualifikationsbedarf an die Arbeitstätigen. Hier kann man feststellen, daß der Bedarf an gering qualifizierten immer mehr zurückgeht.Diese Entwicklung wird unter dem Begriff der Wissensgesellschaft zusammengefasst.Vor dem Hintergrund dieser gestiegenen Qualifikationsanforderungen werden die typischen Lebensmodelle mit mehrjähriger Lernphase in Schule und Berufsausbildung oder Universität und anschließender Praxisphase (in der über mehrere Jahrzente hinweg das Gelernte angewendet wird) immer mehr zurückgedrängt. Diesem überholten Modell steht das Konzept des ``lifelong learning'', bei dem Lern- und Arbeitsphase immer dichter aufeinanderfolgen und immer mehr miteinander verzahnt werden. In diesem Zusammenhang stellt sich eine zunehmende Notwendigkeit des selbstgesteuerten Lernens ein.Es wird für den Berufstätigen immer wichtiger sich neue Fähigkeit und neues Wissen anzueignen.
Die Relevanz des Lernens läßt sich in der Wirtschaft anhand der Ausgaben für Aus- und Weiterbildung belegen. Hier wurden 1997 in Deutschland ca. 56 Milliarden DM und in den USA ca. 190 Milliarden DM ausgegeben. Die enorm hohe Innovationsrate und die immer kürzer werdenden Produktzyklenführen dazu, daß die einzelnen Mitarbeiter ständig dazulernen müssen. Immer öfter sind sie gezwungen, sich mit neuen technologischen Entwicklungen auseinanderzusetzen. (Man denke nur an die Entwicklung des Computers und des Internet). Der Markt für Bildung wächst und wächst. Die Unternehmen haben das Wissen als strategische Ressource entdeckt. Es ist zum bedeutenden Produktionsfaktor und Handelsgut geworden. Diese Entwicklung manifestiert sich dann in solchen Begriffen wie ``knowledge based company'' oder ``Lernende Organisation'', als Ausdruck für Unternehmen, in denen eine lernförderliche Kultur und Struktur herrscht und sogar Knowledge Management betrieben wird (was ja im Zentrum dieses Seminars stand). Darstellung:
Der Trend zur Wissensgesellschaft läßt sich natürlich auch in den Universitäten ablesen. Hier ist eine Steigerung der Studentenzahlen zu bemerken: 1950: 128000 , 1970: 510000 , 1994: 1800000). Auch im Bereich der Hochschulausbildung ist eine zunehmende Flexibilisierung der Lebensmodelle festzustellen. So liegt etwa der Anteil der Teilzeitstudierenden bei ca. 18% und neben den traditionellen Präsenzuniversitäten haben sich Fernuniversitäten etabliert, die es Berufstätigen ermöglichen einen höheren Bildungsabschluss und damit eine höhere Qualifikation zu erreichen. (siehe Fernuniversität Hagen). Die Bildungsausgaben der BRD beliefen sich im Jahre 1994 auf 45 Milliarden Mark. 1.4 Entwicklung in Zitaten Diese Entwicklung soll nun nochmal in Zitaten mehr oder weniger berühmter Personen wiedergegeben werden:
Alan Greenspan (Chief of Federal Reserve Bank): ``We have become a knowledge-based economy, fueled by lifelong education and training.''
Merrily Lynch: ``It is estimated that 50% of employee's skills become outdated in 3 to 5 years.''
John Chambers (CEO Cisco Systems): ``The next big killer application of the internet will be education... it will email look like a rounding error.''
Peter Drucker (Forbes Magazine): ``Thanks to the internet, adult education may become our single largest industry.''
Im folgenden sollen die Mängel der herkömmlichen Bildungsformen erläutert werden, um so die zunehmende Bedeutung des eLearning zu untermauern.
Betrachtet man die traditionelle Weiterbildung, wie sie in Unternehmen stattfindet (mehrtägige Präsenzseminare meist in anderen Orten), so lassen sich folgende Aspekte als Probleme herausstellen:
räumlicher Aspekt: hohe Kosten für Anreise und Unterkunft (die teilweise bis zu 70% der gesamten Weiterbildungskosten ausmachen)
zeitlicher Aspekt: die Weiterbildungskurse sind nicht immer verfügbar, Kosten für den Arbeitsausfall
An den Universitäten wird vielfach ein eklatanter Mangel an Ressourcen (Personal, Sachmittel) beklagt. Diese besonders deutlich in der Entwicklung der Lehrkräftezahlen, die nicht mit den steigenden Studentenzahlen mitgehalten hat, woraus dann die bekannten Massenveranstaltungen resultieren, bei denen mehrere hundert Studenten sich in einem Hörsaal drängeln. Dies ergibt folgende problembehaftete Aspekte:
adaptiver Aspekt: es erfolgt keine Anpassung der Ausbildung an die Vorkenntnisse und Fähigkeiten des Lernenden.
psychologischer Aspekt: Lerner fühlt sich fremdbestimmt, was nicht gerade motivierend ist.
Aufgrund der problembehafteten Situation herkömmlicher Unterrichtsformen ist die Suche nach Alternativen entsprechend wichtig. Als Lösungsansatz gewinnt hier das eLearning immer mehr an Bedeutung. Aber was ist eLearning eigentlich?
Unter eLearning versteht man ganz einfach computerunterstütztes Lernen. Das Ziel dieser Form des Lernens ist es Kurse bzw. Lernsysteme in Software zu gießen und somit Wissen mit Hilfe des Rechners zu vermitteln. Häufige andere Bezeichnungen für eLearning sind:
CBT: computer based training
CAT: computer aided teaching
CAL: computer aided learning
CUL: computer-unterstütztes Lernen
Mit dem Einsatz dieser neuen Technik sind dann verschieden Nutzenerwartungen verbunden. So erhofft man sich folgende quantitativen Vorteile:
Erweiterung des Lehrangebots für bestehende Zielgruppen
Erweiterung der Zielgruppe: Behinderte und Berufstätige
Kostenreduzierung
Verfügbarkeit: anytime und anywhere
Aber auch qualitative Verbesserungen sollen durch den Einsatz dieser computerunterstützter Lernsysteme erzielt werden. Zu diesen zählen:
hoher Grad an Anschaulichkeit durch neue Visualisierungsmöglichkeiten (3D-Animationen), die selbst steuerbar sind
im Gegensatz zum im Selbststudium verwendete Bücher erhofft man sich erhöhte Interaktivität (vom Lernprogramm abhängig)
höhere Individualiserung (Einstellung auf den Lerntyp)
Ein eLearning-System besteht aus einer Learning-Engine, die das Zusammenspiele folgender Komponenten realisiert: (Abbildung)
Wissensbasis: Diese Komponente enthält die Lerninhalte und Ziele.
Presentation: Diese Komponente enthält die Lerninhalte in präsentationsfähiger Form. Hierzu zählen Texte, Bilder, Animationen usw.
Kommunikation: Diese Komponente übernimmt die Kommunikation des Lernenden mit dem System, anderen Lernenden oder einem Lehrer. Kommunikationselemente können sein: Chat, email, Whiteboad, Audio- und Videokonferenz.
Methodenbasis: Didaktische Methoden und Konzepte, die praktisch bestimmen in welcher Art und Weise, dem Lernenden die Materialien präsentiert werden.
Evaluation: Diese Komponente ermöglicht es einerseits den Lernenden zu bewerten (Mulitple Choice Tests, oder falls echter Lehrer vorhanden können Fragen zum Verständnis gestellt werden)
User Model: Diese Komponente enthält Informationen über das Vorwissen des Lernenden, seinen Lerntyp (visuell, textuell, ...) und Informationen über seinen Lernfortschritt (welche Lerninhalte von ihm wie erfolgreich durchgearbeitet wurden)
Bezüglich der Komponenten kann man nun verschiedene Klassifikationen von Lernsystemen vornehmen. So sind z.B. Lernsysteme anhand ihrerer Wissensbasis zu unterscheiden (Lernsysteme in der Medizin, Physik, ...).Desweiteren kann man Lernsysteme entsprechend ihrer Präsentationskomponente unterscheiden. Hier unterscheidet man zwischen textuellen Systemen, die Lerninhalte vorwiegend über Texte vermitteln und zwischen multimedialen Systemen die neben Texten auch Grafiken oder Animationen verwenden. Dies spielt dann eine Rolle wenn man einem Lerntyp das richtige System zuordnen will. Etwas interessanter ist dann aber die Klassifikation bezüglich der Methodenbasis bzw. der Lerntheorie, die dem System zugrundeliegt. Darauf will ich nun genauer eingehen.
Unter einer Lerntheorie ist der Versuch zu verstehen, Kenntnisse bzw. Auffassungen über das Lernen in einem einheitlichen System zusammenzufassen. Sie bestimmt damit einen ``allgemeinen Rahmen für didaktische Überlegungen'' und spiegelt sich in der Lernsoftware - angefangen vom behandelten Thema über den Aufbau bzw. die Struktur des Systems bis hin zur Benutzeroberfläche wider.
Der Behaviourismus stützt sich auf den Objektivismus (eine grundlegende erkenntnistheoretische Position), nach dem Wissen als etwas objektives angesehen wird, was extern und unabhängig vom Lernenden existiert. Das Hirn wird dabei als passiver Behälter angesehen, in den das Wissen abgelagert werden soll. Wissen wird als eine korrekte Input-Output-Relation angesehen, was sich dadurch zeigt, daß eine Person auf Fragen die richtigen Antworten liefern kann. Das Lernziel besteht dann dementsprechend daraus, daß diese Person die richtigen Antworten produzieren kann. Kernpunkt der behaviouristischen Sichtweise ist die Beschreibung und Steuerung des Lernens durch Hinweisreize und Verstärkungen des erwünschten Verhaltens. Lernen kann nach dieser Theorie durch Belohnung und Bestrafung gesteuert werden. Der Lehrer wird dabei als Autorität angesehen, der die Anordnung der Lerninhalte bestimmt. Diesem Verhalten entsprechen dann auch die Softwaresystem, die diese Lerntheorie als Basis haben. Der Programmablauf ist starr und kann vom Lernenden nur in geringem Maße beeinflußt werden. Softwaretypen dieser Theorie sind: Tutorielle Systeme, Drill&Practice, Präsentationssysteme.
Beim Kognitivismus wird das Hirn nicht mehr als passiver Behälter angesehen. Hier spiele Denk- und Verstehensprozesse des Lernende eine zentrale Rolle. Das Hirn wird dementsprechend als informationsverarbeitendes Gerät aufgefaßt, in dem Wissen verarbeitet wird. Lernen wird als Wechselwirkung eines externen Angebots mit der internen Struktur verstanden.
wird nachgetragen
Drill-Programme präsentieren keinen neuen Lernstoff, sondern fragen diesen nur ab. Das Prinzip von Drill-Programmen funktioniert so, daß sie dem Tutanden Fragen stellen, die dieser beantworten muß. Anschließend wird die Antwort analysiert und dem Nutzer mitgeteilt, ob die Frage richtig oder falsch beantwortet wurde und wie ggf. die richtige Antwort lautet. Danach wird dann die nächste Frage ausgewählt bis das Programm zu Ende ist oder vom Nutzer abgebrochen wird. In der Regel präsentieren diese Programme am Ende eine Statistik mit der Summe der richtigen bzw. falschen beantworteten Fragen. Neben dem Lernmodus haben diese Programme auch noch einen Prüfmodus, der sich vom Lernmodus dadurch unterscheidet, daß der Nutzer kein direktes Feedback auf seine Antworten erhält. Mit dieser Art von Programmen kann recht gut Faktenwissen gelernt werden, wohingegen komplexe Zusammenhänge nicht vermittelt werden können.
Präsentationssystem zeichnen sich dadurch aus, daß sie einen umfangreicheren Sachverhalt (in einem Kapitel) in einer fest vorgegebenen Reihenfolge präsentieren. Die Interaktion zwischen Anwender und System beschränkt sich dabei auf die Auswahl der Kapitel und dem damit verbundenen Ablauf der Präsentation. Der Nutzer hat lediglich die Möglichkeit die Präsentation anzuhalten oder weiterlaufen zu lassen. Diese Form des Lernens ist mit dem Lesen eines Buches vergleichbar, nur das hier eventuell noch multimedialer Inhalt transportiert werden kann.
Der wesentliche Unterschied von Browsingsystemen gegenüber Präsentationssystemen besteht darin, daß die Reihenfolge der Lehrstoffpräsentation nicht mehr fest vorgegeben ist, sondern sich der Nutzer durch Verfolgen von Querverweisen die Reihenfolge selbst bestimmen kann. Hier wird die Idee des Hypertextes, d.h. des assoziativen Informationszugriffes, berücksichtig. Besteht das Browsingsystem nicht nur aus Texten, sondern auch aus Bildern und anderen Medien, so spricht man von Hypermedia. Das System überläßt es dem Anwender in welcher Reihenfolge und mit welcher Geschwindigkeit er sich durch das Lehrmaterial bewegt. Dies ist dann sinnvoll, wenn der Nutzer schon Vorkenntnisse hat und nicht das Lernziel aus den Augen verliert und im ``Hyperspace'' verloren geht.
Diese Systeme beginnen meist mit einer Einführung, die eine Lehrstoffpräsentation enthält. Daran anschließend erfolgen Fragestellungen, durch deren Beantwortung der Tutand zeigen soll, ob er den Lehrstoff verstanden hat. Die Antwortanalyse übernimmt diese Aufgabe und gibt je nachdem ob die Antwort richtig oder falsch was ein Feedback. Dieses Feedback kann nun ganz einfacher Art sein, d.h. die Richtigkeit oder Falschheit der Antwort wird bekannt gegeben, oder es wird näher auf den Fehler eingegangen, indem der zur Frage gehörige Lehrstoff noch einmal präsentiert wird, um somit die Unklarheit zu bereinigen. Solche noch recht primitiven Tutoriellen Systeme eignen sich gut für Anfänger, da diese mehr oder weniger durch den Stoff geführt werden. Ein Aufbau von deklarativem Wissen, als Grundlage für eine weiterführende Bildung, ist somit möglich. Als Beispiel für ein Tutorielles System sei auf das Lernprogramm der Uni Giessen zur Blickdiagnose verwiesen: http://www.med.uni-giessen.de/agma/auge/autoren.html .
Intelligente Tutorielle Systeme unterscheiden sich von den einfachen Tutoriellen System in der Art und Weise, wie auf die Interaktion mit dem Nutzer reagiert wird. Intelligente Tutorielle Systeme haben neben dem Wissensmodell, welches den Lehrstoff beinhaltet, auch ein Tutandenmodell. In diesem Tutandenmodell werden Informationen über den Tutanden gespeichert. Wichtig dabei sind vor allem das korrekte, fehlende und falsche Wissen des Tutanden über die zu lernende Thematik. Ebenfalls wird ermittelt welcher Lerntyp (textuell, grafisch, ...) er ist und was er bislang mit dem System alles erlernt hat (es wird also eine Art Lernhistorie erstellt). Mit diesen Informationen über den Nutzer kann nun der weitere Verlauf der Lehrstoffpräsentation ermittelt (berechnet) werden. Diese Aufgabe übernimmt die Didaktikkomponente, die dann z.B. bei sehr geringem Lernerfolg des Nutzers einen grundlegenderen Kurs vorschlägt, der das Basiswissen erläutert. Aufgrund dieses Verhaltens bezeichnet man solche Systeme als intelligent.
Simulationssysteme verfolgen den Ansatz des Lernens am Modell der Realität. Hier wird der Problembereich so genau wie möglich am Computer nachgebildet (im grafischen Sinn und bezüglich des Verhaltens) und nicht textuell umschrieben. Der Nutzer sieht sich dann einem solchen Modell bzw. Szenario gegenübergestellt und kann nun mit diesem interagieren, um so das Verhalten des Systems zu erlernen. Das Modell reagiert nun auf die Aktionen des Benutzers und verändert das Szenario dementsprechend.